Konfliktfelder

Wir leben in Zeiten, in denen die Literatur von Rang wenig Anlass hat, harmonische Welten zu entwerfen. Die Bücher, die wir bei den 54. Rauriser Literaturtagen vorstellen, beschäftigen sich mit einigen dieser aktuellen Konfliktfelder.

Sie erzählen – nicht zuletzt unter dem Eindruck der blutigen Geschehnisse in der Ukraine und in Nahost – davon, was das Erlebnis des Krieges im Leben und in den Seelen der Betroffenen anrichtet. Sie berichten von den Herausforderungen der gesellschaftlichen Migration: von der Begegnung mit anderen Kulturen, den Schwierigkeiten der Integration im neuen Umfeld und der Formung persönlicher Beziehungen unter dem Vorzeichen interkultureller Differenz.

Sie beschreiben die neuartigen Vermischungen politischer und ökonomischer Systeme – die Veränderung demokratischer Strukturen unter den Auswirkungen kapitalistischer Prozesse und der Hinwendung zu autoritären Gesellschaftsmodellen. Sie analysieren den Umgang mit numerisch kleinen Bevölkerungsgruppen und den Bildern, die der herrschende Teil der Welt von ihnen entwickelt hat. Und sie legen die Gewalt offen, die in patriarchalen Denk- und Handlungssystemen nach wie vor gegenüber Frauen und Kindern ausgeübt wird.

Die Autorinnen und Autoren der Rauriser Literaturtage 2025 zeigen eindrucksvoll, wie wichtig es ist, nicht den populistischen Verlockungen einfacher Extrempositionen nachzugeben, sondern zwischen eindeutigen Erklärungsmustern, die mit absoluter Gültigkeit vertreten werden, auch widersprüchliche, ambivalente Haltungen zu akzeptieren.

Im vergangenen Jahr hatten wir den tragischen Verlust zweier früherer Preisträger:innen zu betrauern: von Bodo Hell, dem Träger des ersten Rauriser Literaturpreises 1972, und von Ingrid Loitfellner-Moser, die als bisher einzige Rauriserin 2006 den Förderungspreis erhielt.

An Bodo Hell, der 13-mal in Rauris zu Gast war, erinnern wir mit der Gestaltung der musikalischen Begleitung unserer Lesungen durch künstlerische Weggefährten des Autors und mit einem neuen Schwerpunkt unserer Dauerausstellung.

Ines Schütz und Manfred Mittermayer