Geschichten vom Zusammenleben

Was als Motto für ein literarisches Festival zunächst etwas allgemein anmutet, erfasst in Wahrheit eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit.

Nach vielen Monaten der durch die Covid-19-Pandemie erzwungenen Vereinzelung, in einer Phase innergesellschaftlicher Spaltungen, aber auch schockierender kriegerischer Konflikte zwischen ganzen Staaten stellt sich die Frage nach dem lebensnotwendigen Miteinander auf vielen Ebenen.

Einige Aspekte dieses Themenbereichs werden in den Büchern untersucht, die wir bei den Rauriser Literaturtagen 2024 vorstellen.

Wir greifen beispielhaft zwei Schwerpunkte der gegenwärtigen Literatur auf: die Fülle an autobiographisch grundierten Darstellungen individueller Lebensläufe, außerdem die Nachzeichnung von Familiengeschichten als generationenübergreifende Erkundung der eigenen Herkunft.

Manche der von uns ausgewählten Bücher handeln vom Hineinwachsen in gesellschaftliche Gefüge, während der frühesten Lebenszeit und in der Phase des Erwachsenwerdens. Andere erzählen vom Lebensende: vom alles infrage stellenden Verlust des geliebten Menschen, vom einsamen Sterben als Indikator für soziale Isolation.

Einige unserer Texte behandeln die Folgen der Migration: sei es die Geschichte einer ganzen Familie, die im Auswanderungsland sozialen Erfolg, aber auch Ausgrenzung und Armut erleben muss, sei es die Entfremdung eines Einzelnen, der zur Emigration gezwungen ist und die Schwierigkeiten der Integration im Asylland durchleidet.

Wir beschäftigen uns mit der Frage, inwiefern die Bedingungen unserer vom Kapital und vom Drang zur Selbstdarstellung in den Sozialen Medien geprägten Welt unser Zusammenleben auf eine völlig andere Basis stellen als bisher.

Wir tragen aber auch dem Umstand Rechnung, dass das Nachdenken über unser künftiges Zusammenleben nicht mehr ohne Bezug auf die Bedrohung unserer Existenzgrundlagen durch die weltweiten Veränderungen des Klimas erfolgen kann.

So bieten die Rauriser Literaturtage mit ihren Autorinnen und Autoren diesmal ein besonders vielfältiges Programm, in dem sich unverkennbar unsere Gegenwart spiegelt.

Manfred Mittermayer und  Ines Schütz